Lern- und Gedenkort

Erinnern für die Zukunft

Der Lern- und Gedenkort neben der Kirche St. Nicolaus erinnert an die 630 Menschen mit Behinderung, die 1945 aus den damaligen Alsterdorfer Anstalten abtransportiert wurden. 513 Menschen wurden nachweislich von den Nationalsozialisten ermordet. Der neu entstandene Lern- und Gedenkort gibt Raum für Trauer, aber auch für kritische Auseinandersetzung und Denkanstöße.

Wer den Lern- und Gedenkort betritt, dem fällt direkt die in den Boden eingelassene Altarwand ins Auge. Bis vor Kurzem war das Altarbild noch die Rückwand der Kirche St. Nicolaus. Doch aufgrund seiner menschenverachtenden Aussage aus der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Bild samt Rückwand 2021 in einem aufwendigen Verfahren aus der Kirche entfernt.

Seit Jahrzehnten war das Altarbild in Alsterdorf umstritten. Der Direktor der damaligen Alsterdorfer Anstalten zur Zeit des Nationalsozialismus, Pastor Friedrich Lensch (1930–1945 Direktor), war ein treuer Verfechter der nationalsozialistischen Ideologie – und dies verewigte er symbolisch in dem Altarbild. Als sogenanntes Sgraffito wurde das Bild in den frischen Putz und somit in die Altarwand hineingemalt.

Das Bild zeigt Jesus am Kreuz. Insgesamt 15 Menschen sind um das Kreuz versammelt. Drei von ihnen sind augenscheinlich Menschen mit Behinderung. Alle Personen auf dem Bild tragen Heiligenscheine, bis auf die drei Menschen mit Behinderung. Sie werden dadurch als Menschen dargestellt, die nach der damaligen Ideologie als weniger wert angesehen wurden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann die Auseinandersetzung mit dieser Bildaussage. Das Bild wurde als Zumutung erlebt von den Menschen, die dort Gottesdienst feierten, und von den Verantwortlichen der Evangelischen Stiftung Alsterdorf. Deshalb wurde nach Wegen gesucht, das Bild zu entfernen und gleichzeitig das Gedenken an die Opfer der Euthanasie wachzuhalten. – Entstanden ist der Lern- und Gedenkort.

Alle Menschen sind gleichwertig und haben das Recht auf ein würdevolles, selbstbestimmtes Leben

Quer zum Altarbild steht im Lern- und Gedenkort eine lange Wand mit den Namen und Porträtfotos der ermordeten Bewohnerinnen und Bewohner. Durch das Zeigen der Porträts erhalten die Opfer im wahrsten Sinne des Wortes „ein Gesicht“ und sind nicht nur eine namenlose Gruppe, sondern Individuen, denen furchtbares Unrecht angetan wurde. Gleichzeitig wird die ungeheuerliche Zahl der nachgewiesenen Ermordungen „513“ konkret, sichtbar und erfahrbar.

Aktives Gedenken

Drei weitere Tafeln sind fester Bestandteil des Lern- und Gedenkortes. Sie beschäftigen sich eingehender mit den Opfern und Tätern der Euthanasie-Aktion in Alsterdorf.

Die Schüler*innen der Bugenhagenschulen der Stiftung gestalten zudem eine Tafel selbst. Hier zeigen sie ihre eigene und persönliche Auseinandersetzung mit den Gräueltaten des Nationalsozialismus.

Der Lern- und Gedenkort steckt voller symbolischer Motive, die zum Entdecken und Nachdenken anregen. Er bedeutet somit keineswegs, dass die Aufarbeitung der Alsterdorfer Geschichte nun abgeschlossen wäre. Ganz im Gegenteil: Dieser Ort ist ein Mahnmal gegen das Vergessen und eine Aufforderung, aktiv daran mitzuwirken, dass es eine solche Ausgrenzung von ganzen Menschengruppen aus der Gesellschaft niemals wieder geben darf. Jährlich am 8. Mai lädt die Stiftung deshalb zur Gedenkveranstaltung „Erinnern für die Zukunft“ ein.

Impressionen des Lern- und Gedenkortes

Impressionen der Eröffnung